Viele Phänomene passieren in Dir, die Du vielleicht gar nicht, nicht richtig oder nur unterbewusst wahrnehmen kannst.
Manches kann auch kognitiv nicht erfasst werden. Der Ursprung unserer Schwierigkeiten, ob im Job, in der Beziehung, als Elternteil oder wo anders, liegt sehr oft im vorsprachlichen Bereich. Das bedeutet, wir haben unsere Erlebnisse auf Zellebene im Körper abgespeichert und können im Sprachlichen nicht darauf zurück greifen. Denn wer kann sich an seine Entstehung (Verschmelzung von Samen- und Eizelle), Schwangerschaft und Geburt, wie auch die ersten Lebensjahre kognitiv erinnern?
Nicht immer wissen wir aus Erzählungen, unter welchen Umständen wir in diese Welt kamen. Waren wir gewollt, war es eine Überraschung für unsere Eltern, gab es Ereignisse in der Schwangerschaft, die uns prägten?
War die Geburt ohne Komplikationen (was bei den immer steigenden Kaiserschnitt- und Intverventionsraten kaum denkbar ist) und konnten wir unsere Mutter direkt nach der Geburt kennenlernen oder wurden wir von ihr getrennt? Konnte Mama uns in Ruhe und ausreichend stillen?
Auch der Kontakt in den ersten Lebensmonaten/jahren ist sehr prägsam. Wie war der Kontakt zu Mama und anderen Bezugspersonen?
Bei all dem oben genannten spielt das Hormon Oxytoxin eine prägende Rolle. Oxytoxin ist nämlich das Bindungshormon, das Hormon der Nähe, das unter der Geburt und auch bei Blick- und Körperkontakt ausgeschüttet wird.
Es bewirkt, dass wir ruhiger und entspannter sind. Es hat in vielen Dingen unseres Alltags Auswirkungen, u.a. auf Ängste, Wahrnehmung von Beziehungssignalen, Vertrauen in andere Menschen, sowie unsere Leistungsfähigkeit und Gesundheit.
Wie hast Du Deine Selbstwirksamkeit erlebt? Wurdest Du bestärkt in Deinem Tun oder wurdest Du häufig vor Gefahren gewarnt, weil Deine Eltern eher ängstlich waren? Gab es Glaubenssätze, die sich wiederholten? Wurden Deine Bedürfnisse gesehen und erfüllt?
Jeder Mensch hat ein eigenes Windows of Toleranz, das Toleranzfenster der Selbstregulation. Seine Prägung passiert sehr früh im Leben. Dort werden die Weichen gestellt um angemessen auf Dinge und Situationen zu reagieren. Es kommt vor, dass das Toleranzfenster nach oben bzw. nach unten verlassen wird. Dann gibt es keine adäquate Regulation mehr.
Im oberen Bereich befindet sich die Übererregung, wie zum Beispiel Bluthochdruck, Workaholic, hoher Muskeltonus, (Risiko-)Sport, zusammengebissene Zähne, Impulsivität, Anspannung, Ängste etc..
Ganz entgegengesetzt befindet sich der unterregulierte Bereich. Dort findest Du häufig folgende Symptome: Ohnmacht, Lustlosigkeit, niedriger Blutdruck, Fibromyalgie, depressive Verstimmung oder Hoffnungslosigkeit u.a..
Früher war die Regulation die Aufgabe der Eltern. Doch, ist damals an dieser Stelle (häufig) etwas schief gelaufen, wird es auch heute Schwierigkeiten geben, sich auf andere/neue Situationen einzustellen bzw. adäquat darauf zu reagieren.
In der Therapie gibt es Möglichkeiten, an diesem Fenster der Regulation zu arbeiten. Ziel darin ist, dass Du wieder mehr Wahlmöglichkeiten hast zu reagieren.
Buchempfehlungen:
Das Kind in dir muss Heimat finden;
Stefanie Stahl, Kailash-Verlag
Auch alte Wunden können heilen;
Dami Charf, Kösel-Verlag
Warum ich fühle, was du fühlst: Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone;
Joachim Bauer, Heyne-Verlag
Oxytocin, das Hormon der Nähe;
Kerstin Uvnäs Moberg bzw. deutsche Ausgabe von Uta Streit und Fritz Jansen, Springer Verlag